Nach einem Jahr

Was Sie/Ihr nachfolgend lesen könnt ist mein Text aus dem vergangenen Jahr. Er ist farblich abgesetzt, zu meinen Ergänzungen von heute. Der Text hat übers Jahr, abgesehen vom Datum, was fast punktgenau wieder zutrifft, seine Gültigkeit behalten.

 

Nichts hat sich verändert! Gar nichts!!

Oder doch: Es ist schlimmer geworden!

 

Eigentlich wollte ich das Thema nicht mehr nach außen tragen, weil es bei mir zwischenzeitlich einen Brechreiz auslöst, aber:

Erstens

        Ich habe das Statement (zur huldvollen Wiedereröffnungsstrategie unserer Politik für die Gastronomie) eines Jenaer Lokals gelesen. Dazu kann man nicht schweigen, zu soviel Irrsinn oder Realitätsverlust, (Verlust bedeutet, dass jemals der Sinn für Realität existierte, das bezweifle ich zwischenzeitlich) also besser Realitätsferne, ist mehr als unfassbar.

Die Jenaer haben recht. Sie schreiben genau das, was auch ich denke und nun doch noch einmal öffentlich sage. Einer meiner Texte aus dem Mai des letzten Jahres, drückt es fast identisch aus. Nur eben, dass es jetzt – in 2021 – noch sinnfreier geworden ist, über eine Öffnung unserer Lokale nachzudenken.

 

Zweitens

      Hatte ich gestern eine Begegnung mit der vulnerablen Personengruppe, wieder vor einem Einkaufsmarkt(der ja auch ungefährlich ist…Schnelltest, Impfausweis….u.s.w. braucht man hier zum Glück nicht), so wie vor einem Jahr auch schon. Nur dass die Frage damals eine andere, nicht minder seltsame, war. Vielleicht sollten die Märkte ihre Waren nur noch draußen, auf den Parkplätzen verkaufen. Mit gültigem Schnelltest - nicht älter als 24 Stunden  - inklusive allem was noch dazu gehört. Das sollte doch kein Problem sein. Der kleine Laden einer Freundin hat immer noch geschlossen. Da geht nur vor der Tür, mit Termin und Vollschutz!!

Zurück zur Begegnung: Die vulnerable Personengruppe fragte mich allen Ernstes: Na Conny, hast du dein Café schon wieder auf?  Schnappatmung auf meiner Seite. Ich bin fassungslos – immer wieder. Aber manchmal muss man eben (leider) doch raus, einkaufen, die Schutzzone verlassen. Die Maske und darüber klemmende Sonnenbrille verdecken zum Glück jegliche Mimik in meinem Gesicht. Ich antworte mit einem langgezogenem: Neihein – ich habe natürlich nicht auf! Ich würde gern normal antworten. Aber ich kann es einfach nicht.

Mein Gegenüber stockt kurz und legt nach: Aber Pfingsten!?

Ich denke: Medien, Tageszeitung, Fernsehen, Tabellen über Inzidenzen im Landkreis, Texte über Wiedereröffnungsstrategien…sehe die hochgestellten Stühle in der Gastronomie, die uns durch alle Städte begleiten und denke nochmal, nur für mich, leise: Wie kommt man zu so einer Frage? Bitteschön wie? Etwas sagen, nur um etwas zu sagen?

 

Drittens

Die Branchen Gastronomie & Tourismus (Kultur…)sind in meinen Augen und in meiner persönlichen Wahrnehmung, diejenigen die es am schlimmsten trifft. Wirtschaftlich.

Von der psychischen Komponente, was es u.a. bedeutet nicht relevant zu sein, möchte ich hierbei gar nicht reden. Das haben wir letztes Jahr, als das Wort Systemrelevanz  aufkam und fortan mein persönliches Unwort des Jahres 2020 wurde, in Endlosschleife diskutiert. Die Relevanz der Einen zieht, auf der Gegenseite, die Nichtrelevanz der Anderen nach sich. Und das sind in meiner Auslegung Kunst, Kultur, die Gastronomie & der kleine Einzelhändler) Ich entschuldige mich im Vorfeld, falls ich jemanden vergessen habe.

Es geht hierbei um ein Gesamtpaket, was ich zwischenzeitlich als Zumutung empfinde und was auf Kosten einer sehr eingegrenzten Minderheit ausgetragen wird, was berufliche Lebenskonzepte in Frage stellt, sie an mancher Stelle zusammenstürzen lässt. Die Pandemie betrifft alle. Den Preis zahlen wenige. Und wo steht bitteschön geschrieben, dass ein Opfer zwangsläufig tot sein muss? Ich will hier nur noch das Wort Kollateralschäden in den Raum stellen. Die Probleme unterscheiden sich in krasserer Form voneinander. Häufig – in dieser Zeit - begegnet mir das Problem, nicht in den Urlaub fahren zu können. Das kann ich gut verstehen. Das birgt für mich eine tiefe Tragik. Das ist existenziell. So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein. So different sind Probleme. All das, was ich schon vor Wochen und Monaten in meinen Texten als Zukunftsvision beschrieben habe, tritt nach und nach ein. Schön ist anders.

Die Gastronomie war, aus nahezu allen Medien, in den zurückliegenden Monaten, vollkommen verschwunden. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass man uns bereits aus der Rechnung getilgt hatte. Und jetzt dürfen wir bald wieder öffnen. Wie schön.

 

Nein, wir werden nicht öffnen. Nicht jetzt. Nicht mit Außengastronomie im Kleide der Kuriositäten.

 

Es handelt sich, bei den uns dargebotenen (Un)Möglichkeiten nicht um eine reelle Chance, sondern um eine Beschäftigungstherapie.

Ja, wir wollen gern wieder öffnen. Gastronomie ist irgendwie auch unser Leben. Deshalb haben wir uns dafür entschieden. Irgendwann einmal, als das Leben, in der Rückschau betrachtet, noch normal war. Keiner kann von zehn geimpften, getesteten oder genesenen Gästen leben. Auf Vorbestellung, bei Regen. Ich sehe mich diskutieren, ab wann schönes Wetter beginnt. Der älteren Dame sind 18°C zu kalt. Der Yuppie, fragt nach dem Heizpilz, der weder ökologisch noch rentabel ist. Der Gruppe Radfahrer hätten 18°C durchaus gereicht. Sie haben Jacken dabei. Ich öffne um 14.00 Uhr und ab 16.00 Uhr zieht Gewitter auf. Nach drinnen setzen darf ich niemanden. Im Umkehrschluss regnet es Mittag und klart am Spätnachmittag auf. Eine kleine Gruppe Tagestouristen steht um 17.00 Uhr vor der verschlossenen Tür – bei (jetzt) Sonne. Ich kaufe ein oder auch nicht. Ich backe nach der WetterApp. Ich entsorge den Kuchen bei Regen und erkläre dem Finanzamt, wieso ich horrende Ausgaben, aber kaum Einnahmen habe. Das wäre eine klare Zeichnung der Realität. Will ich das?

Nein, ganz klar Nein. Das, was ich will, steht unten, nachfolgend.

 

Hier der Klappentext 2020

 

Ab 15. Mai 2020 dürfen auch Cafés ihre Türen wieder öffnen.

Schön  - freuen sich die Einen – unsere Gäste.

Zweifel haben wir – die ein Geschäft unter den uns aktuell gegebenen  Bedingungen führen sollen, es eigentlich auch müssten, wie auch immer…

 

Café ist Freizeit.

Café ist Lebensgefühl.

Café ist Interaktion – zwischen den Menschen… Kommunikation auf verbaler undauf nonverbaler Ebene,

Sprache – Mimik – Gestik – Herzlichkeit…

Café ist Leichtigkeit.

Café ist Genuss.

Café bedeutet für uns, häufig voll besetzte Tische, manchmal bunt, so wie wir Deutschen es

von Haus aus nicht besonders mögen, um dann festzustellen, dass auch fremde Menschen 

durchaus sehr bereichernd sein können.

Café ist Spontanität.

Café ist Sehen, Fühlen, Schmecken und Erleben.

Café ist auch im Laden zu stöbern, im engen Gang vor den Postkarten Regalen zu verweilen,

in Büchern und Zeitschriften zu blättern,

am Nachbartisch mit jemandem zu reden,

den man vielleicht kennt…

 

Was davon tatsächlich im Augenblick noch möglich ist, dafür hängt in unserem Laden Fenster ein kleiner Auszug von dem, was wir beachten müssten, um öffnen zu können. Dabei haben wir die Größe unserer Räume erst einmal völlig achtlos auf die Seite geschoben.

 

Und was ist mit Außengastronomie?

Mag bei einem Imbiss oder Take away funktionieren…

Stellen Sie sich vor: Sie und ihre Gäste im heimischen Garten bei Dauerregen, Kälte oder nicht absehbaren Wetterkapriolen und das alles jeden Tag neu, unter Vorbereitungsaufwand…??

 

Nach einigen Tagen darüber Nachdenken, uns das Szenario vor Augen führen,

welche Auswirkungen die Verordnungen auf unseren Ort mit sich bringen würden, gab es eigentlich nur eine Entscheidung. Ein klares NEIN.

Wir können und wollen unter diesen Umständen nicht regulär öffnen.

Über eine mögliche Schönwetter-, Mitnehm-, Wochenend –Variante, ausschließlich außer Haus, denken wir im Augenblick noch nach.

 

Wir möchten unseren Gästen nicht das Gefühl vermitteln auf der Quarantäne- oder Intensivstation zu verweilen. Uns geht die Freude, bei der bloßen Vorstellung unserer nunmehr täglichen Abläufe, auch nur im Ansatz bereits verloren. Die Idee, welche diesem Café zu Grunde liegt, ist unter diesen Umständen für uns im Augenblick nicht leb- und für unsere Gäste nicht mehr erlebbar.

 

Wir müssen doch von etwas leben?

Richtig. Aber das funktioniert mit einer reduzierten Gästeanzahl, einer Handvoll möglicher Gäste nicht im Ansatz. Was dabei bleibt?  Am Abend eines Tages? Am Ende eines Monats? Das kann sich eigentlich jeder selbst ausrechnen.

Weniger Tische, größere Abstände, weniger Menschen, das wird nicht nur weniger schön, sondern auch vollkommen illusorisch, wenn man es wirtschaftlich betrachtet.

 

Wir danken Ihnen & Euch allen, für gute Wünsche zum Durchhalten in dieser

uns neuen und recht besonderen Situation.

 

Der Text hat übers Jahr nicht an Aktualität verloren, leider! Es ist in Teilen anders, als vor einem Jahr. Besser? Nein. Eher das Gegenteil ist eingetreten. Unser Alltag? Ja, wie wird er aussehen, dann wenn tatsächlich wieder Gäste in und nicht nur vor unseren Häusern sitzen dürfen? Und wie lange wird das gutgehen? Eine Woche? Einen Monat? Bis zum Ende des Sommers?

Nein, das ist keine Schwarzmalerei. Leider ist das die Realität unserer Branche. Seit über einem Jahr. Das Ende offen.

 

Über Veränderungen informieren wir Sie HIER, oder auch auf dem Anrufbeantworter unter 

Telefon 036603/44233.

  

Bleiben Sie uns gewogen.

Ich hoffe und wünsche, dass wir uns in absehbarer Zeit wieder sehen, bei uns im Café & unter Bedingungen, die einen Café – Besuch zu dem machen, was er sein sollte: Einer kleinen Auszeit vom Alltag & einem Fest der Sinne.

 

Mit herzlichen Grüßen & auf hoffentlich bald!

Ihre Cornelia Unteutsch