Kleinstadt oder Provinz? Das ist hier doch die Frage.

Unlängst begegnete mir in der Küche der Eltern einer lieben Freundin in einem Wust

von so vielen schönen, speziellen und interessanten Dingen, Gegenständen, Fotografien

und Texten dieser eine Satz.

Er hing ein wenig schief und auf den ersten Blick unscheinbar an der Wand und ist doch

so groß in seinen wenigen Worten.

 

„Provinz ist immer nur da, wo man sie zulässt.“

 

Er nahm mich gefangen, weil er so viel Wahrheit in sich trägt.

Welch kluger Kopf hat diesen einzigartigen Satz hervorgebracht?

Es stand kein Name darunter, Google brachte mich auch nicht wirklich weiter.

Aber das ist für diesen Fakt, diese unabdingbare Tatsache eigentlich auch nicht relevant.

 

Die Freundin und ihre Eltern leben hier ganz in der Nähe in einem nur sehr

wenige Häuser zählenden Dorf. Es ist schon über viele Generationen der Hof der Familie.

Er ist ein Sammelsurium wundervoller Dinge, dabei auch Unmengen von Büchern,

wie sollte es auch anders sein.

Das Zuhause ist der Spiegel seiner in ihm lebenden Bewohner.

Am Zuhause erkennt man den Menschen, der in ihm wohnt.

Ein Blick hinein klart die Sicht auf vieles, nicht zuletzt auf Wesenszüge, auf den Charakter.

In den Feinheiten, in den Details liegt so etwas wie Offenbarung.

 

Hier im Hof dieser Menschen lebt Geist, Intelligenz und Weltoffenheit.

Hier sind Kreativität und nahezu grenzenlose Lust auf Leben zu Hause.

Hier trifft intellektuell auf bodenständig.

Hier vereinen sich scheinbare Gegensätze zu so etwas wie einem Ganzen.

Dieser Flecken Dorf  dieser Hof  ist alles andere als Provinz.

Oft sind es Künstler, die diese scheinbar unvereinbaren Dinge

mit leichter Hand zu verknüpfen verstehen.

Sie schaffen Lebensräume, die in nichts einengen.

 

Hier kann man für einen Moment die Zeit vergessen, die Enge, die gerade Kleinstädte oft auf mich ausstrahlen, hinter sich zurücklassen. Hier kann man einfach nur da sein.

Und das mitten auf dem Lande, ein Bauernhof eben, umgeben von anderen Bauernhöfen,

diese in ihrer ganz althergebrachten Daseinsform – elementarem Leben.

Umgeben ist er von Feldern, von Wald und auch von ganz viel „Garnichts“.

Hier hat der Kopf endlose Weite, um seine Gedanken zu entfalten.

Hier bleiben sie nicht stecken zwischen den Mauern alter Häuser und engen Straßen.

Hier kann man seine Blicke hinaus wandern lassen, wo sie sich in der Weite verlieren oder

in den Baumkronen uralter Obstbäume verfangen.

Hier hat man nur weniges, was einen tatsächlich ablenkt,

dann, wenn man kreativ & schöpferisch tätig ist.

 

Hier können Gedanken Gestalt annehmen, kreatives Gedankengut kann gedeihen.

Schon wenn ich die schmale, sich in vielen Kurven schlängelnde Landstraße dorthin fahre,

habe ich das Gefühl Freiheit zu atmen.

Es ist nichts, was einen bedrücken oder einengen könnte.

Man braucht nicht zwangsläufig die Metropolen dieser Welt, um dieses Gefühl zu finden.

Man trägt es in sich oder eben auch nicht.

 

Man kann sich die Welt auch nach Hause holen.

Man kann dem Dorf, der Kleinstadt ein Stück ihrer Engstirnigkeit entreißen, ihrem althergebrachten „Das-war-hier-schon-immer-so“ etwas entgegensetzen.

Man kann das Kleinkarierte größer denken.

Es braucht dazu Offenheit und Toleranz.

Es braucht Kreativität und Ideenreichtum.

Es braucht ein Stück Heimatverbundenheit und als Pendant die Lust auf Neues.

Es braucht die Hand, die es schafft, scheinbare Gegensätze zu vereinen.

Es braucht den Mut, um vielleicht anders zu sein, als es andere sind.

Es braucht Weitblick und Zuversicht dahinein, dass es möglich sein kann, Dinge zu verändern.

Es braucht den Glauben daran, das Dinge gut werden können.

Es braucht Leidenschaft und Unbeirrbarkeit.

Es braucht das immer wieder Infrage stellen.

Es braucht Menschen, die an einen glauben.

Es braucht einen Anflug von Weltgeist, der sich auch in den äußersten Winkel verirrt.

 

Und es braucht nicht zuletzt den Glauben an sich selbst und an das eigene Tun und Handeln.

 

Es sind letztlich nicht die Häuser und Straßen und mit ihnen die äußeren Umstände,

die einen Ort sichtbar prägen.

Diese Dinge, dieser Rahmen tragen ganz sicher zu vielem bei.

Wir – die Menschen der Region –, die hier leben, machen die Kleinstadt oder das Dorf zu dem, was es ist.

Wir machen es zur Provinz, die einem die Luft zum Atmen nimmt oder 

wir geben ihr ein Gesicht, welches zum Kommen & vielleicht sogar Bleiben einlädt.